16.1.2024, 20:00
Veranstaltung

FREIES KINO - EINTRITT FREI

Michael Pilz: For You / With Love Vol 3

PROGRAMM

For You | 2013/2018 | 6 Minuten

„Ein langer Film, aber nicht lang genug. Man möchte, dass er nicht aufhört. Da ist alles, was der Traum vom Film verspricht: Son et Image. Auch das Filmschwarz ist ein Bild, projiziertes, vermeintlich leeres Schwarz. Ein Geheimnis. Es kann alles verbergen, in sich begraben oder schützen. Nur die Töne kann es nicht verdecken. Ein nächtliches Drama von Abschied, Trauer und Verlust gleitet an uns vorüber. Oder auch nicht. Für jede, jeden ein anderes Drama. Man möchte sich an den realen Parametern, Ton, Bild, zeitlicher Ablauf festhalten, um sich nicht ganz in Assoziationen zu verlieren. Als ob man die Augen geschlossen hätte, erlebt man sehenden Auges das Unsichtbare. Dann macht das Filmbild langsam die Augen auf. Der Traum hat ein Nachbild. Da ist es, langsam verschwindet es wieder. Dann Schwarz, dann Wind, dann Aufwachen. Wo war ich?“
Birgit Flos, Wien, im Mai, 2023


With Love Vol 3 | 2010/2021 | 96 Minuten
Das ist oft die erste Frage zu einem noch unbekannten Film: „Worum geht es?“
Antwort: „Es geht um nichts weniger als um unser Leben.“
„Aber – noch einmal: was ist der Inhalt dieses Films?“ 
„Das Fühlen, das Sehen, die Suche nach und das Erleben von Schönheit. Es geht auch darum, wie Menschen miteinander umgehen, oder wie sie mit der Natur, wie sie mit Tieren umgehen…vor allem auch, wie sie mit sich selbst und ihrem eigenen Leben umgehen.“ 
„Geht es auch etwas konkreter?“ 
„Ja gerne… es geht im Grunde um die dringend notwendige Neuausrichtung der gesamten Bildungsstruktur. Mit anderen Worten: es geht um Alles; darum wie unsere Kinder in der Zukunft leben werden. Für unsere Generation ist es zu spät, aber wir können eine Zukunft für unsere Kinder wenigstens vorbereiten und versuchen, sie zu ermöglichen.“


„Der Film ist kein Reisebericht. Sie brauchen nur leichtes Gepäck: Augen und Ohren, alle ihre Sinne. Der Filmkünstler lädt sie ein, ihn an verschiedenen Orten und Situationen zu begleiten. Die Auswahl der Locations ist (fast) beliebig, es hätten auch andere Orte sein können. Hier sind es z.B. Indien, der Iran und und… eine Straßenkreuzung, eine Bäckerei, ein Gespräch unter Kollegen in einem Büro, ein Markt und…

Der Anfang führt direkt und wie mit einem harten Schnitt zu einem fremden Ort, draußen, eine Straßenkreuzung. Es ist dunkel, ein bläuliches Lichtdämmern. Erst weiß man nicht, ist es Abend oder Morgen? Menschen bewegen sich wie auf einer Bühne in einer komplexen Choreographie. Manche zielgerichtet, andere langsamer, sie kommen immer wieder ins Bild.  Hunde. 
Der Mensch mit der Kamera bewegt sich nicht, er lässt dieses Schauspiel des Erwachens eines kleinen Ortes geschehen... durchlässig, absichtslos, ohne Erläuterungen oder Zuordnungen. Man selbst braucht nur zu schauen bis man die Geräusche hört, die noch frische Morgenluft spürt und vielleicht weht auch ein Duft von den kleinen Imbissständen links im Bild herüber. „Ohne Absicht suchen wir das Geheimnis“ (Michael Pilz). Sie werden sich dieses Schauspiel nicht von außen anschauen. Sondern Sie sind einfach da.
So arbeitet Michael Pilz in diesem Film. Er ist vor Ort. Es ist kein Zufall, dass er Außerordentliches sieht. „Das gibt es doch nicht, dass sich das alles zufällig vor seiner Kamera abspielt. Das muss angekündigt, vorbereitet sein“‚„in der Kunst darf man sich nicht vorbereiten“ (Michael Pilz). Das ist Kontingenz, nicht Zufall. Da kommen Wahrnehmung und Erleben durch sinnliche Neugier zusammen. Durch eine interesselose Offenheit.
Man könnte meinen, Michael Pilz ist die Kamera angewachsen, organisch mit seinem Körper verbunden. Er sieht und er filmt, nimmt auf, auch wenn er nicht filmt. Er lässt den Kamerablick schweifen, wählt aus und filmt lange, beliebig lange. Das Material kommt dann in sein gigantisches Archiv von tausenden von Bildern, Blicken und Eindrücken. Da bleibt es. Michael Pilz mag es, wenn das noch nicht weiter bearbeitete Material erst einmal liegt, länger ruht, sich auch im Kopfarchiv einen Platz sucht und gespeichert wird.  Dann wählt er ein zweites Mal aus. „Da war doch diese lange Einstellung von der Straßenkreuzung in Indien. Welche Blicke mag ich verwenden, in welcher Zusammenschau, welche Töne?“ (Michael Pilz). Dann beginnt die große Suche auf den Festplatten. Und so entsteht durch immer wieder sehen und auswählen, erneut sehen, zögern, entscheiden ein Film. Nie eine Rohfassung, der Schnitt muss gleich beim ersten Mal richtig sein, nur an dieser Stelle, genau hier.
Was aber hat das mit dem so bitter notwendigen Aufmischen einer gescheiterten Bildungspolitik zu tun? Offenheit will gelernt sein, so wie die Liebe zu den Dingen. Die Kunst, das Erleben und Schaffen von Kunst lässt einen Raum der Freiheit zu, in dem sich auch Kinder und Heranwachsende selbstbewusst und stark bewegen können. Kunst ist absolut notwendig …zum Überleben notwendig. So verstanden, sollte der Zugang zu Kunst und zu ihrer Praxis ein Hauptfokus einer gelungenen Bildung sein.  Das ist die Reise. 
Michael Pilz in der oft nichtssagenden Übung der Q&A – frei zitiert „Mich interessiert weniger, wie Sie meinen Film einschätzen,  ich muss nicht über meinen Film sprechen, ich kenne den Film. Aber ich interessiere mich sehr dafür, was der Film mit Ihnen gemacht hat, egal ob sie geschlafen oder an etwas ganz anderes gedacht haben. Was / Das hat der Film mit Ihnen gemacht. Sprechen Sie von sich, wenn sie mögen, nicht über den Film. Lernen Sie von sich zu sprechen“.“
Birgit Flos, Wien, im Dezember 2023

 

BIOGRAPHIE
Michael Pilz wurde 1943 in Gmünd (Österreich) geboren. Ab 1964 studierte er Regie und Kamera an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Abteilung Film und Fernsehen, in Wien, brach das Studium jedoch frühzeitig ab. Zu dieser Zeit entstanden vermehrt Filmexperimente auf 8mm- und 16mm-Film sowie Arbeiten als freischaffender Fotograf. Bis 1972 arbeitete Pilz als Autor, Kameramann, Regisseur und Produzent kurzer Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilme. Ab 1970 realisierte er auch Regie- und Drehbucharbeiten für verschiedene Genres und Abteilungen des österreichischen Fernsehens (Kultur, Unterhaltung, Dokumentation). 1975 war Pilz eines der Gründungsmitglieder des Syndikats der Filmschaffenden Österreichs und an zahlreichen weiteren filmpolitischen Initiativen, wie der Gründung der Österreichischen Filmtage (1976) und des alternativen Filmverleihs filmladen, beteiligt. Ab 1972 entstanden Pilz' erste Arbeiten auf Video. Vier Jahre später folgte die Gründung der Michael Pilz Filmproduktion. Sein zweiteiliger Dokumentarfilm Himmel und Erde (1979/1982) wurde zum internationalen Festivalerfolg. Sein filmisches Schaffen umfasst bis heute beinahe 100 Arbeiten zwischen zwei Minuten und mehr als zehn Stunden. Michael Pilz lebt und arbeitet in Wien. 
www.michaelpilz.at

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