26.9.2023, 20:00
Veranstaltung, Stadtkino im Künstlerhaus

FREIES KINO - EINTRITT FREI

Michael Endlicher: Sprache spricht

Endlicher schreibt „Litaneien”. So nennt er seine repetitiven, teils autobiografischen, teils sozialkritischen Textstücke in Ich-Form, die er als Grundlage seiner Sprach-Performances und Videos verwendet. In diesen performativen Sprechakten lotet er existentielle Fragen aus und stellt den oft oberflächlichen Gebrauch von Sprache in unserer Gesellschaft bloß. Die Auswahl für das Kino zeigt Arbeiten der letzten 10 Jahre, von tonlosen Körpertransformationen, überbordenden Wortkaskaden, die nicht mehr zu verstehen sind, bis zu politischen Kommentaren zur Gegenwart.

"Es ist ein fragiles Künstlerbild, das sich in vielen von Michael Endlichers Arbeiten zeigt. Was auf den ersten Blick oft provokant wirkt, lässt im körperlichen Ausdruck, dem „grain of the voice“ (Barthes), die Zerbrechlichkeit und Ratlosigkeit angesichts der Frage, was Künstler*in-Sein bedeuten und bewirken kann, durchscheinen."
(Claudia Slanar)

 

PROGRAMM
 

I am afraid of your fear! | Performance | ca. 7 min


Ich möchte Folgendes klarstellen | AT 2019 | 12 Min |dt. Fassung
Endlichers unendliches Distanzierungs- und Entschuldigungsvideo "Ich möchte Folgendes klarstellen", das wenige Monate vor der Pandemie fertig geworden ist, handelt von einer Angepasstheit, die im Sinne der political correctness der Maskierung ganzer Gesellschaften das Wort redet. (...) Seine Arbeit behandelt pointiert und durchaus bissig von einer angepassten Entschuldigungs- und Distanzierungskultur, die man in öffentlichen Diskursen pflegt oder zu pflegen hat, aber gerade in der mehrfachen Repetition ihre inhaltlose Farce und oberflächliche rhetorische Geste offenbart: Eine unendliche Liste führt Endlicher als unermüdlicher Entschuldigender an. Seine Stimme ist eine weibliche Synchronstimme. Er entschuldigt sich in aller nur erdenklichen political correctness bei allen möglichen gesellschaftlichen (Rand-)Gruppen, die, in der Menge angeführt, längst zur breiten Masse verschmelzen. (…)
(Katrin Bucher Trantov und Johannes Rauchenberger)

 

Aber Aber Aber | 7:04 Min | AT 2021 | dt. Fassung m. engl. Untertiteln
Endlichers Video "Aber Aber Aber" fühlt sich an wie eine Metaebene zur Medienkritik. Einerseits steht ihm das Wasser bis zum Kinn, andererseits gibt er uns eine Litanei, die wir gar nicht hören wollen, weil wir uns längst daran gewöhnt haben. Tatsächlich sind diese Abers total geläufig – durch die Litanei wird offensichtlich, wie überzeugend sie sind, durch die Wiederholung, aber auch durch den Umstand, dass man sich beim Betrachten und Hören des Videos an die Kontexte erinnert, in denen man die Sätze wieder und wieder gehört hat. Endlicher macht das Virtuelle an diesem „Wissen“ erkennbar. (...)
(Wolfgang Giegler)


Ich bin total gesund | 2:52 Min | 2013
Das Video setzt Endlichers Litanei-Serie fort und persifliert den Wellness- und Gesundheitsboom. Während der Anrufungen und Wiederholungen gleitet die Kamera langsam über die Teile des nackten Körpers wie die Finger über die Perlen eines Rosenkranzes. Zelebriert wird ein dramaturgischer Kunstgriff der Verzögerung und der Spannung von Zeigen und Verbergen. (Eva Maltrovsky)


Discussion | 3:25 Min | 2004/2016
In diesem Video übt sich der Künstler abermals im Wiedergeben „von ausgewählten Spitzenaussagen über die Befindlichkeit der zeitgenössischen Kunst“ (Hartwig Bischof) und ihrer Rezeption. Im Büßergewand des Erkrankten lässt er diesmal dem Betrachter jedoch so gut wie keine Chance mehr, den einzelnen Gedanken zu folgen: gleichzeitig dozieren zwölf Endlichers im Splitscreen ihre Weisheiten. (...) Maximale Erklärungskompetenz schaukelt sich auf zur unverständlichen Kakophonie, doch am Ende bleibt eine letzte Aussageschleife vernehmbar stehen. Sie führt zurück an den Anfang aller Kunst: auf das brüchige Künstlerselbst zwischen Kunst und Leben.


Herr Meneutik #2 | 4:58 Min | 2011
Endlichers Video Herr Meneutik #2 zeigt den Protagonisten an insgesamt zwölf Stationen im öffentlichen Stadtraum Wiens, wie er kunsttheoretische Statements von sich gibt, die vor allem um das Dilemma des postmodernen (Künstler- bzw. Kunstkritiker)Subjekts auf der Suche nach seiner Wahrnehmung beziehungsweise nach verbindlichen Werten und objektivierbaren Kriterien zur Positionierung seines Schaffens (und somit auch seiner Identität …) kreisen.
(Lucas Gehrmann)


What What What | 1:07 Min | 2011/2017 | englische Fassung
Ein kurzes zugepitztes Sequel aus Endlichers Video Herr Meneutik #2, dass seine dramaturgische Technik der Repetition ganzer Sätze, wie man sie aus (seinen) Litaneien kennt, auf das einzelne Wort, den einzelnen Buchstaben anwendet. 


LEIBHAFTIG PLURIFAKT |  2:28 Min | ohne Ton | 2014
Endlichers Fragen nach Identität und Körperintegrität als Künstler zentrieren sich in Form dieser Videoarbeit. Wenn man diese genau betrachtet, lässt das Weiß des Leintuchs, der nackte menschliche Körper, die Bewegung und die Symmetrie des Settings klinische Assoziationen anmuten, wie sie im Bereich der Medizin etwa in der Computertomografie beim Scan des menschlichen Körpers zu finden sind. (...)
Eine Form der voyeuristischen Attraktion, die in dieser Art und Weise nur in einem zeitgebundenen Medium möglich ist. (...) Was sich hier sensibel und hintergründig rein im Kopf des Betrachters als Frage nach dem biologischen Geschlecht, einer biologischen Identität auftut, wird durch den Text im Vordergrund hart überlagert: der Frage nach der sozialen, beruflichen Identifizierung.
(Christoph Urwalek)


I am Gerhard Richter | 4:40 Min | 2012
Michael Endlicher's memorable piece strikes me as both homage to the artist's inescapable influences — and an exorcism of them. That is, a desire to acknowledge (consume) the weight of history and, at the same time, be rid of it (eliminate). I consider Endlicher's title in this light, and think of the Dresden-based work of Gerhard Richter's called Atlas: A world on the shoulders of the artist. In this sense, there is an egoism about the piece that is striking, and yet at the same time, a powerful ritualized acceptance. Moreover, given the theatrical lighting, one is tempted to recall a Greek bust, and its references to the Oedipal imperative to (at least metaphorically) 'kill' the father.
(Victoria Hindley)


I have to believe | 2:41 Min |  AT 2020 | dt. Fassung m. engl. Untertiteln
Die Auseinandersetzung des gespaltenen Künstler-Ichs mit engeren und erweiterten Glaubensfragen.


Jetzt hätte ich noch eine letzte Frage | 3:22 Min | AT 2020 | dt. Fassung
Michael Endlichers "Jetzt hätte ich noch eine letzte Frage" ist ein Found Footage Clip in klassischer Ausprägung, also im Sinne von Materialaneignung. Weniger klassisch erweist sich die Tatsache, dass das Material ausschließlich auf diversen Festplatten des Künstlers „sicher gestellt“ werden konnte, persönliches Material also, das über die Jahre aus visueller Neugier, zweckbefreit, aber nicht sinnentleert entstanden ist. Der Begriff Found Footage kann hier aber auch in seiner neueren inhaltlichen Ausprägung – als Erzählmethode – angewandt werden: die absichtslose Reihung an Dingen, Tieren oder Elementen, die filmtechnisch zum Tanzen gebracht werden, steht für deren Gleichwertigkeit bzw. für deren Wertlosigkeit im Auge des menschlichen Betrachters. 

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