8.12.2011 - 8.1.2012
Ausstellung, Passagegalerie

In Passing 13

Isabella Kohlhuber, Saskia Te Nicklin

Isabella Kohlhuber
Private terms, general conditions, Wandtext, 2011

Isabella Kohlhuber arbeitet mit Bildern und Texten, Objekten und Räumen, wobei die Grenzen meist fließend verlaufen. In ihrer Wandarbeit "private terms, general conditions" für die k/haus Passagegalerie untersucht sie die formalen Bedingungen von Kommunikation auf typografischer Ebene. Der von ihr entwickelte Font namens "Bastards" ist ein Experiment zur Bildhaftigkeit von Text und zur Lesbarkeit visueller Codes. Seine Charaktere sind Hybridformen zweier oder mehrerer Buchstaben des lateinischen Alphabets, die deren Stellen übernehmen, sodass Bedeutungen teils erst durch Entscheidungen der LeserInnen und durch deren Interpretation bestimmt werden. Für "private terms, general conditions" nutzt Isabella Kohlhuber die Passagegalerie als Schnittstelle zwischen Institution und öffentlichem Raum, um Fragen nach der Mitteilbarkeit künstlerischen Ausdrucks zu thematisieren.

Ein Selbstverständnis gegenüber der künstlerischen Arbeit als Kommunikation, das Gestalten einer Typografie namens „Bastards“ als Hybrid zwischen Bild- und Schriftsprache und als einen Vorgang durch den Form und Inhalt sich nicht als Rückversicherung, sondern als produktive Prämisse an den Betrachter wenden, bilden den Ausgangspunkt von Isabella Kohlhubers Projekt „private terms, general conditions“ (2011) in der k/haus Passagegalerie. Ihre Anwendung von Druckwerk und elektronischen Medien oder Schriftfonts als Werkzeuge richten sich nicht nach deren fixiierten gestalterischen Merkmalen, sondern werfen die Frage nach der De- und Recodierung von Form auf.

Der Philosoph Ludwig Wittgenstein dachte über Schnörkel als eine Art von Zeichen nach und reflektierte darüber, wie ein Zeichen ein Ausdruck sein kann, ohne durch Konventionen festgelegt zu werden. Wo findet sich das individuelle, autonome Zeichen? In der Geste, im Strich oder durch eine Setzung im Zeichenkontext? Abzuwägen, wann nachzuhaken oder zu unterbrechen sinnvoll ist, bedeutet sich mit der jeweils konkreten Situation in ein Verhältnis zu setzen und daraus Differenzen abzuleiten oder sich auf einen Prozess des Unterscheidens einzulassen. Die Hinterfragung dessen, wie Welt sich in Form und wie sich die Form zur Wahrnehmung bringt, bildet in der skulpturalen Umsetzung der Installation entlang der Wand der k/haus Passagegalerie ein wesentliches Moment.

„Die Gesetze der Form“ – wie der deutsche Titel der Publikation des britischen Logikers George Spencer-Brown lautet – basieren auf einem formalen System, das wiederum auf einem Vorgang des Unterscheidens aufbaut. Übertragen auf den kreativen Akt gestaltet sich dieser als Ablauf in dem es eine Unterscheidung zu treffen gilt, zu kombinieren, zu rekombinieren, hinzuzufügen, wegzulassen, zu collagieren oder zu decollagieren. Form funktioniert hier als kombinativer Akt. Als Symbol verweist die Form gleichzeitig auch auf einen Wechsel. Damit entspricht jede Form einer Grenzziehung und verweist auf ein „Hier-So!“ im Unterschied zu einem „Nicht-So!“. Durch das Kombinieren und Verschränken von Zeichen als minimalistische Geste findet eine Reduktion statt. Die Form fügt sich hier als Wert, Operator und Notation in Eins zusammen. Die von Isabella Kohlhuber gestaltete Installation fordert uns zum Decodieren auf. Gleichzeitig wird damit die Frage nach der Position des Betrachters, nach dessen Standpunkt aufgeworfen. 
 

Saskia Te Nicklin
Limbo, Skulptur 2011
Waltzing The Kiss, 2011

„I like the idea of the work being a bit broken, and perhaps leaving the work almost complete, hoping that it will grow the last bit during a show. Working from the dimensions of my own body and mind, I see the work as a human and perhaps it has captured some of my human errors, traits and characteristics as well, even sucked up an unconfident memory or a moment of hopelessness, where I will leave it at such, not wishing to control it further, but let the work do what they like.They might seem a bit forlorn or look misplaced, almost lost in space, but I like this about them. I sense my own personal information which should be a serious matter, is acquiring a silly absurdity about it, of how easy it is to be lost or forgotten in our fast moving new media world." (Saskia Te Nicklin)

Die Dringlichkeit von Kunst, das Verlangen mit Kunst etwas bewirken zu wollen, was über die Frage nach den formalästhetischen Eigenschaften des Materials hinaus einen direkten Bezug zur eigenen Körperlichkeit herstellt, spielt in den Werken von Saskia Te Nicklin eng zusammen mit einem reflexiven Gestus. Saskia Te Nicklin ordnet ihrem Werk menschliche Eigenschaften zu, setzt prozesshafte Konturen und performative Eingriffe direkt in Beziehung zum eigenen Körper, verknüpft die Methode der Re-Montage skulpturaler und malerischer Methoden mit gesellschaftspolitischen Diskursen über Kontrolle und Kontrollverlust. Eine intensive Konfrontation mit unserer Schmerzgrenze gegenüber einer immer schneller um sich selbst drehenden Medienwelt klingt an. Saskia Te Nicklin verfährt strukturell-analytisch in ihrem unkonventionellen, direkten Umgang mit Momenten des körperlich Dysfunktionalen und dessen Übertragung in Materialien wie Ton, Gips, Holz oder Leinwand.

Die Skulptur „Limbo“ (2011) bezieht sich auf den Limbo Tanz, der seinen Ursprung auf den Westindischen Inseln hat und der ursprünglich eine Woche nach einem Begräbnis getanzt wurde. Heute ist Limbo ein beliebter Partytanz. Der Ausdruck „Limbo“ bedeutet Geschmeidigkeit und Biegsamkeit. Die Herausforderung besteht darin, unter einem quergelegten oder von anderen TeilnehmerInnen gehaltenen Stab hindurchzutanzen, je tiefer der Stab, desto schwieriger gestaltet sich die Performance, der Weltrekord liegt bei 16,5 cm. In der Skulptur von Saskia Te Nicklin gelangt ungebrannter Ton als Verankerung für die blau bemalten Holzstäbe zum Einsatz. Ihre Skulptur „Limbo“ (2011 zwingt uns nicht in die Knie wie Victoria Dejaco es formulierte. Die Dimensionen kehren sich um. Die Querstange ist unmittelbar unter der Raumdecke verankert, sodass wir unter ihr hindurch laufen können. Saskia Te Nicklin bearbeitet die Konnotation des Begriffs „Limbo“ als Durchgang sowohl in ihrer räumlichen wie metaphorischen Bedeutung.

Ein Moment des Rohen, Fragilen, Zerbrechlichen dringt in die Skulptur „Waltzing The Kiss“ (2011). Inspiriert ist die Skulptur von Constantin Brancusis berühmtem Werk „Der Kuss“, der trotz seiner Rohheit zart und liebevoll wirkt und nachhaltig die Neubewertung des Skulpturenbegriffs beeinflusste. Constantin Brancusi war Schüler von Rodin, der wiederum selbst eine andere berühmte Skulptur mit dem Titel „Der Kuss“ schuf. Saskia Te Nicklin setzt die skulpturale Genealogie des Kusses fort und bringt sie nicht nur durch den Titel zum Tanzen. Dafür findet sie als kritischen Kommentar auf eine relationale Ästhetik eine adäquate Form, um das gewichtige, wie leichte Spiel mit formalen Möglichkeiten und kunsthistorischen Bezügen, losgelöst aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen, neu zu kontextualsieren. 

Kuratorin und Texte:
Ursula Maria Probst

 

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